Malen oder Zeichnen? Ist das nicht egal?
Immer wieder verwechseln Menschen die künstlerischen Techniken des Zeichnens und des Malens. Das liegt aber meist nicht daran, dass die Grenzen fließend sind. Viel häufiger kennen sie den prinzipiellen Unterschied gar nicht. Das ist nicht nur bei Schüler*innen der Fall, sondern auch bei Erwachsenen. Daher hier ein glasklare Definition:
- Beim Zeichnen entsteht ein Bild aus Linien. Zeichenwerkzeuge haben eine Spitze, mit der man Farbe als Linien oder Punkte auftragen kann. Eine Zeichnung ist in aller Regel ein Bild aus Grauwerten.
- Beim Malen entsteht ein Bild aus Flächen. Malwerkzeuge sind mehr oder weniger breite Pinsel, die flächenartige Linien oder Strukturen erzeugen. Ein gemaltes Bild ist in aller Regel farbig.
Der entscheidende Unterschied liegt also letztlich darin, wie man die Farbe (Pigmente) auf den Bildträger (Papier, Malpappe, Leinwand etc.) aufträgt, ob als Linien oder als Flächen.
Zurecht werden nun einige einwenden: ja, aber es gibt doch sehr sehr feine Pinsel, deren Linie mit der einer Feder zu vergleichen wäre. Stimmt, dazu unten mehr ...
Werkzeuge zum Malen und Zeichnen
Die Unterscheidung hinsichtlich des Farbauftrags findet sich auch in den Werkzeugen, mit denen man das Bild malt oder zeichnet:
- Werkzeuge zum Zeichnen haben eine punktförmige Spitze, zum Beispiel ein Bleistift, eine Zeichenfeder, ein Kugelschreiber oder ein Fineliner. Je nach Werkzeug hat die Linie eine nahezu gleiche Strichstärke (z.B. Fineliner) oder die Linienstärke kann variieren (z.B. Bleistift oder Zeichenfeder).
- Werkzeuge zum Malen haben dagegen eine deutlich breitere Spitze, z.B. Pinsel, Malmesser oder Spachtel. Der Farbauftrag ist daher wesentlich größer und breiter und gleicht im Prinzip eher einer Fläche.
Auch hier gilt: die Grenzen sind fließend. So gibt es zum Beispiel sehr breite Lackstifte (Edding), die bis zu 2 cm stark sein können. Und wie erwähnt können Pinsel sehr spitz sein.
Letztlich sind die Eigenschaften "breit" oder "schmal" bzw. "spitz" immer im Verhältnis zur Gesamtgröße des Bildes zu sehen. Auf einem Format von 3 x 4 Metern wirkt die Spur eines 6-er Pinsels mit einer ca. 1 cm breiten Malfläche wie eine Linie. Die Gleiche Linie sieht auf einem Format von 15 x 18 cm wie eine breite Fläche.
Techniken des Farbauftrags
Hinsichtlich der Methoden, wie man die Farbe mit dem Werkzeug aufbringt, unterscheidet man verschiedene Mal- und Zeichentechniken.
- Beim Zeichnen benutzt man vorrangig das Schraffieren (nebeneinander zeichnen von Linien) und die Kreuzschraffur (mehrere Schraffuren, die in verschiedenen Winkel übereinander gezeichnet werden), aber auch das Verblenden (mehrere zart übereinander aufgetragene Schichten).
- In der Malerei werden die Farben nebeneinander oder übereinander gemalt. Dabei spielt die Dauer des Trocknens der Farbe eine entscheidende Rolle: bei vielen Maltechniken vermischt man die Farbe direkt auf dem Bildträger (z.B. Ölmalerei, aber auch Aquarellmalerei, siehe Lavieren).
Sie sehen: so klar die Definitionen von Zeichnen und Malen auch sein mögen: es gibt zahlreiche Grenzfälle, bei denen man nicht eindeutig sagen kann, ob es Malerei oder Zeichnung ist.
Noch schwieriger wird es, wenn man sich die Digitale Malerei anschaut: hier benutzt man in aller Regel ein Grafiktablett oder ein Stift-Display, bei dem mit einem (stets identischen) Stift ein Signal an einen PC übertragen wird. Mit Hilfe der Grafiksoftware kann man jedoch unterschiedlichste Stift- und Pinselarten "imitieren". Man kann digital also mit einem normalen (kugelschreiber-ähnlichen) Digitalstift eine sehr breite Pinsellinie mit ausgefransten Rändern malen. Alles sehr verwirrend - für die Sprachtheoretiker.
Das Ergebnis: Zeichnung oder Bild oder Malerei?
Beim Ergebnis eines kreativen Prozesses wird es dann noch komplizierter. Eines ist sicher: das fertige Produkt ist ein Bild. Aber das sagt nicht viel, denn im Grunde ist alles ein Bild, was irgendwie zweidinensional ist.
- Eine Zeichnung ist das Ergebnis eines Zeichenprozesses, bei dem mit Hilfe von Zeichenwerkzeugen erkennbar Linien aufgetragen worden sind.
- Ein Bild ist das Ergebnis eines Malprozesses, bei dem mit Hilfe von Malwerkzeugen erkennbar Flächen aufgetragen worden sind.
- Ein Werk wird dann als Malerei bezeichnet - aus künstlerischen Sicht -, wenn der Künstler seinen Fokus nicht darauf legt, was dargestellt wird, sondern, wie es gemalt wurde. Wenn also der Malprozess wichtiger ist als das Motiv.
Wie wenig sich die Künstler um die Sprachforscher kümmern, zeigt die Tatsache, dass es zahllose Mixed-Media-Bilder gibt, in denen Mal- und Zeichentechniken wie selbstverständlich miteinander gemischt werden.
Übrigens: erschwerend kommt nun noch dazu, das die Begriffe nicht nur im künstlerischen Kontext, sondern auch noch in anderen verwendet werden (müssen): so wird auch ein Foto oft als "Bild" bezeichnet, jemand, der Häuserwände anstreicht, nennt sich im Branchenverzeichnis "Maler", und auch Schnittmuster oder computergenerierte Architekturentwürfe sind natürlich auch Zeichnungen.
Letztlich wird aus all den Überlegungen nur deutlich, dass wir in der deutschen Sprache viel zu wenig wirklich eindeutige und stichhaltige Begriffe haben, um all die verschiedenen Möglichkeiten künstlerischer Produktion auszudrücken.
Aber so ganz grob kann man sagen: Zeichnen ist mit einfarbigen Linien, Malen mit mehrfarbigen Flächen.
Zeichnen lernen
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Weblinks zu Thema Zeichnungen
- Zeichnen lernen: Schritt für Schritt
- Zeichnen lernen online Tutorial
- Zeichnen lernen (1): Wie anfangen? (Grundlagen)
- Zeichnen lernen (2): Freihand-Zeichen “vom Auge zur Hand”
- Zeichnen lernen (3): mit Raster eine Vorlage abzeichnen
- Zeichnen lernen (4): Schraffieren (Schraffuren zeichnen)
- Kunst-Zeichnung.de
Tipp! Ich habe ein eBook geschrieben: "Realistisch Zeichnen Lernen - Mit Bleistiften beobachten". Umfang: 97 Seiten, mit zahlreichen Abbildungen, Schritt-für-Schritt-Anleitungen und konkreten Zeichen-Übungen. Das Buch bietet Anfängern und allen, die sich bislang noch nicht intensiv mit dem Naturstudium auseinander gesetzt haben, viele hilfreiche Tipps und Tricks.
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