Ein Hell-Dunkel-Kontrast ist eine grundlegende Technik beim bildnerischen Gestalten (z.B. Kunst oder Design), bei der helle und dunkle Werte miteinander kombiniert werden, um eine ästhetische Wirkung, zum Beispiel Tiefe oder Spannung, in einem Bild zu erzeugen. Der Begriff Kontrast bedeutet so viel wie "Gegensatz". Wenn zwei Dinge, die verschieden sind, in der Wahrnehmung aufeinander treffen, spricht man von einem Kontrast.
Der "härteste", eindeutigste Kontrast ist der Hell-Dunkel-Kontrast. Die extremste Form eines Hell-Dunkel-Kontrastes sind eine Weiße und eine schwarze Fläche, die gegeneinander stoßen (auch "Schwarz-Weiss-Kontrast"). Der Hell-Dunkel-Kontrast ist eine der ältesten und fundamentalsten Methoden, um als Künstler in Bildern nicht nur Klarheit, sondern auch Spannung zu erzeugen.
Wie wirkt ein Hell-Dunkel-Kontrast?
- Betonung von Formen und Strukturen: Durch die Verwendung von hellen und dunklen Werten können Formen und Strukturen deutlicher dargestellt werden. Helle Bereiche treten visuell hervor, während dunkle Bereiche Tiefe und Definition verleihen.
- Schaffung von Tiefe: Ein Hell-Dunkel-Kontrast kann dazu beitragen, eine illusionäre räumliche Tiefe in einem zweidimensionalen Bild zu erzeugen. Indem man kontrast-starke Töne für Vordergrundelemente und kontrast-arme für Hintergrundelemente verwendet, entsteht eine räumliche Wirkung, die dem Bild eine gewisse Dimension verleiht (siehe Luftperspektive)
- Fokussierung der Aufmerksamkeit: Durch den Einsatz von starken Hell-Dunkel-Kontrasten kann man den Blick des Betrachters gezielt lenken. Helle Bereiche ziehen die Aufmerksamkeit auf sich und können als Fokuspunkte oder Hauptmotiv dienen, während dunkle Bereiche eine unterstützende Rolle spielen können, indem sie die hervorgehobenen Bereiche betonen oder einrahmen.
- Erzeugung von Stimmung und Atmosphäre: Der Hell-Dunkel-Kontrast kann auch dazu verwendet werden, bestimmte Stimmungen oder Atmosphären in einem Bild zu erzeugen. Beispielsweise können starke Kontraste mit scharfen Licht- und Schattenbereichen eine dramatische oder geheimnisvolle Stimmung erzeugen, während sanftere Kontraste eine ruhigere oder subtilere Atmosphäre schaffen können.
Wenn man in der Fotografie von Kontrast (an sich) spricht, meint man in aller Regel den Hell-Dunkel-Kontrast. Auf Fotos geht es in aller Regel nicht um abstrakte Formen und Flächen, sondern um konkrete Gegenstände und Szenerie aus der sehbaren Wirklichkeit. Hier werden Hell und Dunkel durch Licht und Schatten erzeugt. Je dunkler die Schattenpartien, und je heller die beleuchteten Zonen, um so stärker ist der Hell-Dunkel-Kontrast.
Der Hell-Dunkel-Kontrast ist auch für die Luftperspektive von wichtiger Bedeutung. Vor allem in der Landschaftsmalerei nimmt der Hell-Dunkel-Kontrast mit zunehmender Entfernung ab, die dunklen Flächen (Schatten) werden heller und blasser. Zudem sorgen atmosphärische Störungen dafür, dass Gegenstände mit zunehmender Entfernung unschärfer werden. Mehr dazu siehe Luftperspektive.
Hell-Dunkel-Kontrast in Zeichnungen
Zeichnungen, zumindest Schwarz-Weiß-Zeichnungen, (Bleistiftzeichnungen, Kohlezeichnungen etc.) leben im Grunde nur vom Hell-Dunkel-Kontrast. Gerade die differenzierte Modulation der Grauwerte zwischen Hell und Dunkel - zwischen Licht und Schatten - erlauben eine schier endlose Gestaltungsvielfalt. Beim Zeichnen bearbeitet man in der Regel nur Schatten - zumindest wenn man auf einem weißen Blatt Papier arbeitet. Denn das Weiß ist quasi die hellste Lichtreflexion im Bild. Um diese Lichtreflexe herum zeichnet man die Gegenstände, indem man sich ins Dunkel hineinwebt. Beim Zeichnen mit Bleistiften muss man dabei besonders den Härtegrad beachten: Je weicher die Mine, um so dunkler die Farbe und um so größer kann der Kontrast sein.
Blickführung mit Hilfe von Licht und Schatten
Beim Komponieren von Bildern bemühen sich Künstler stets, den Blick des Betrachters zu fesseln, indem sie ihn quasi ununterbrochen über das Bild wandern lassen. Solche vertiefenden Blickbewegungen zu erzeugen, nennt man Komposition. Hierbei bietet der Hell-Dunkel-Kontrast viele Möglichkeiten: Die hellsten Flächen (manchmal auch die Dunkelsten) dienen dabei als Eyecatcher. Das Auge erfasst sie am schnellsten und fokussiert darauf. Von hier aus kann man dann über Linien oder Kurven in andere Bildzonen weiterleiten, die eher intellektuell vordergründig sind. Sobald das Gesehen an Spannung verliert, sucht es sich den nächstgelegene Spannungspunkt (Hell-Dunkel-Kontrast), um den Weg über das Bild fortzusetzen.
Auf diese Weise kann man Bilderzählungen komponieren, die zu Sehprozessen führen, die den inhaltlichen Gedanken verblüffend ähnlich sind.
Mehr zu diesem Bild: Zeichnung Winterlandschaft Wald
Hell-Dunkel-Kontrast in der Kunstgeschichte
Der italienische Maler Michelangelo Caravaggio war ein Meister der Hell-Dunkel-Malerei: in seinen Bildern lässt sich die dramatische Bildkomposition aus Hell-Dunkel-Kontrasten sehr eindrucksvoll nachvollziehen. Diese Gemälde spielen sich meist vor einem dunklen Bühnenraum ab. Ein grelles Spot-Licht beleuchtet die Szenerie im Vordergrund. Durch das intensive Licht entstehen harte Schattenkanten.
Das Bild zeigt die "Kreuzigung des Apostel Petrus" (1601-1604). Mit Hilfe des Hell-Dunkel-Kontrastes wird eine spannende Bildkomposition kreiert: durch die aufstrebende Bewegung von links unten nach rechts rutscht der gekreuzigte Petrus immer weiter nach rechts unten. Man spürt als Betrachter förmlich die Aussichtslosigkeit der Situation, die immer schlimmer wird. Neben dem Hell-Dunkel sind vier Farbflecken eingearbeitet: die gelbe und grüne Hose der beiden Peiniger sowie der angedeutete Umhang in der linken Bildmitte. Rechts unten, dort, wohin Petrus sinken wird, ist ein sanftes Grau-Blau zu sehen.
Weitere bedeutende Vertreten der "Hell-Dunkel-Malerei" (sog. "Chiaroscuro"), die sich in der Spät-Rainessance entwickelte und weit in den Barock hineinwirkte, waren
- Caravaggio (1571-1610)
- Simon Vouet (1590-1649)
- Georges de la Tour (1593-1652)
- Trophime Bigot (1597-1650)
- Rembrandt (1606-1669)
- Jan Vermeer van Delft (1632-1675)
Linolschnitte
Eine alte Kunsttechnik ist der Linoldruck bzw. Holzschnitt. Als Künstler entfernt man die Bereiche, die im Druck später weiß bleiben sollen. Men denkt also quasi "invers" bzw. komplementär. Bei einfachen Linolschnitten führt das zu Ergebnissen, die schwarz auf weiß gedruckt sind. also einen extremen Hell-Dunkel-Kontrast haben. Das macht den besonderen Reiz dieser Grafiken aus.
Der Linolschnitt rechts zeigt einen "Sehtest: alte oder junge Frau?", von Martin Mißfeldt aus dem Jahr 2013. Neben dem optischen Rätsel besteht die Grafik aus mehreren Zonen, die unterschiedlich strukturiert sind und somit spannungsvoll zusammenwirken.
Siehe auch / Weiterlesen
- Thema Kontraste (Übersicht)
- Was ist der Qualitätskontrast?
- Raumwirkung erzeugen mithilfe der Fluchtpunktperspektive
- Farbperspektive einfach erklärt
- Sehtestbilder: Optische Täuschungen