Die Geschichte der Ölmalerei ist Teil der Geschichte der Malerei, die nachweislich bei der Höhlenmalerei beginnt. Die spezielle Geschichte der Ölmalerei bezieht sich auf (künstlerische) Werke, die mit Ölfarbe gemalt wurden. Sie beginnt etwa im 14 Jahrhundert mit der "Erfindung der Ölfarbe". Im Grunde genommen kann man nicht von "der Erfindung" sprechen, denn den Anfang machten maltechnische Experimente in den Künstler-Werkstätten in Italien und den Niederlanden.
Vorher: Tempera-Malerei
Zuvor wurden Bilder in aller Regel mit Temperafarben gemalt. Tempera ("Mischung") ist eine Emulsion, also eine Mischung aus einer ölhaltigen und einer wässrigen Lösung (siehe dazu auch "Eitempera" bzw. "Kaseintempera"). Entscheidend ist dabei das Bindemittel, mit dem die Farbpigmente auf dem Bildträger fixiert werden. Temperafarbe hatte (und hat) einen großen Nachteil: sie wird aus natürlichen Produkten wie Ei oder Quark hergestellt - und sie verdirbt daher relativ schnell. Außerdem trocknete sie wegen des Wasseranteils in der Farbe relativ schnell, was die Künstler dazu zwang, sehr schnell zu arbeiten (und vorher entsprechende gründlich zu planen) oder durch Übermalungen zu korrigieren.
Maltechnische Experimente mit Ölen
Nach und nach experimentierten die Künstler mit neuen Ölen, z.B. Leinöl, Sonnenblumenöl, Mohnöl und anderen. Sie versuchten, das Mischungsverhältnis der Emulsion dahingehend zu verändern, dass kaum noch verderbliche Inhaltsstoffe enthalten waren. Stattdessen setzte man den ölhaltigen Bindemitteln verschiedene Harze (z.B. Dammar oder Mastix) hinzu, die eine besonders hohe Klebkraft haben. Diese Art von Bindemittel veränderte die Wirkung der Bilder und den künstlerischen Schaffensprozess grundlegend: Die Farben leuchten deutlich intensiver und brillanter. Ölfarbe trocknet wesentlich langsamer, dadurch hat man viel mehr Zeit beim Malen.
Allerdings muss man den Malgrund anders vorbereiten, und auch der Farbauftrag muss von "mager nach fett" verlaufen. Das bedeutet, dass man die schneller trocknenden Strukturen zuerst auftragen muss, ehe man die "fetten" Farbschichten malt. Grund: wenn die oberen Schichten deutlich vor den unteren trocknen, ergeben sich auf der Oberfläche Spannungen, die sie aufplatzen lassen.
Die Ölfarbe bildet in der Regel eine verhältnismäßig feste Schicht (im Gegensatz zu z.B. Tempera oder Aquarellbildern). Wenn der Untergrund im Laufe der Zeit witterungsbedingt "arbeitet", was vor allem bei Holzplatten passiert, platzt die Farbe an der Oberfläche häufig auf. Das Resultat ist ein maschenartiges Netz aus feinen Rissen (sog. Krakelüren), das man heute auf vielen alten Ölgemälden findet.
Jan van Eyck: Der Genter Altar
Als ein Protagonist in der Geschichte der Ölmalerei gilt der altniederländische Maler Jan van Eyck (um 1390 - 1441). Gemeinsam mit seinem Bruder Hubert van Eyck betrieb er eine Malerwerkstatt, die viele bahnbrechende maltechnische Entwicklungen einleitete. Dazu gehört insbesondere die Ölmalerei (aufgrund einer Bemerkung des Kunst-Chronisten Giorgio Vasari galt Jan van Eyck fälschlicherweise lange als "Erfinder der Ölmalerei").
Als Hauptwerk van Eycks gilt der weltberühmte "Genter Altar", der durch seinen Naturalismus, aber auch durch die Intensität der Farben schon von Zeitgenossen als Meisterwerk gefeiert wurde. Das Bild wirkt so edel und rein wie die zahlreichen Edelsteine und kostbaren Gewänder. Es ist übrigens umstritten, ob er es alleine malte - oder sein Bruder Hubert maßgeblich mitwirkte.
Van Eyck malte die einzelnen Tafeln des Alterwerks in vielen Schichten, wobei er die ölhaltigen (glänzenden) Farben lasierend auf darunter liegende Schichten auftrug. So entwickelte sich eine bis dahin unbekannte Farbbrillanz.
Jan van Eyck hat keineswegs ausschließlich mit Ölfarbe gemalt. Wie zuvor erwähnt war es eine langsame Entwicklung von der vorherrschenden Temperamalerei hin zur Ölmalerei.
Antonello da Messina führt die Ölmaltechnik in Italien ein
Der italienische Maler Antonello da Messina (1430 - 1479) gilt als derjenige, der die neue Ölmal-Technik in Italien einführte und damit zahlreiche berühmte Maler beeinflusste. Anders als von Vasari behauptet, hat Antonello wohl nie Jan van Eyck kennengelernt (denn er war bei dessen Ableben wohl erst 11 oder 12 Jahre alt). Aber Antonello hat sicherlich Bilder von van Eyck in Italien gesehen und die Oberflächen exakt studiert. Möglicherweise konnten die Besitzer auch in gewissem Umfang über die neuen maltechnischen Errungenschaften berichten. Vielleicht traf Antonello Petrus Christus (ein Malerkollege von van Eyck) in Mailand.
Auf jeden Fall fing Antonello selber an, mit Ölfarben zu hantieren und ähnlich beeindruckende Bilder zu erschaffen wie van Eyck nördlich der Alpen. Besonders seine ausdrucksstarken Portraits erregten Aufsehen. Antonello war ein viel beachteter Maler und erhielt zahlreiche Aufträge.
Dank der Ölmalerei konnte Antonello die Farbverläufe wesentlich feiner differenzieren, wodurch er eine sanftere, natürlichere Ausstrahlung erzielte. Das wiederum ermöglichte es, die Kontraste zwischen Licht und Schatten zu erhöhen. Dieses dramatische Spiel von Licht und Schatten sollte später Caravaggio aufgreifen und zur Meisterschaft treiben.
Gescheiterte Ölmalerei: Das letzte Abendmahl (Leonardo da Vinci)
Ein gutes Beispiel für eine gescheiterte Öl-Maltechnik ist das berühmte "Letzte Abendmahl" von Leonardo da Vinci (btw: hier eine Cartoon-Version dieses Werks). Leonardo schätzte an der Ölfarbe vor allem den langsamen Trocknungsprozess, was es ihm erlaubte, längere Pausen zu machen (sei es um das Werk konzeptionell noch zu verbessern oder um anderen Tätigkeiten nachzugehen). Die bis dahin übliche Freskomalerei erforderte nämlich ein sehr diszipliniertes Arbeiten, weil die Farben innerhalb weniger Minuten trocknen.
Leonardo hat mit der Ölfarbe (nach heutiger Analyse wohl eine Tempera mit hohem Ölanteil) auf eine als Fresko vorbehandelte Wand gemalt - mit dem Ergebnis, dass die Farben (bzw. das Bindemittel) in den unteren Schichten aufgrund der zu hohen Saugkraft der Wand viel schneller trockneten. Das Ergebnis waren zahlreiche Risse - und die kleinen Farbschollen konnten sich zum Teil nicht an der grob-verputzten Wand halten und bröckelten ab. Schon zu Lebzeiten hatten die Mönche, die das (heute weltberühmte) Meisterwerk beauftragt hatten, sich beschwert und wollten ihr Geld zurück - woraufhin Leonardo sich kurzerhand aus Mailand verabschiedete und nach Frankreich floh. Das Beispiel zeigt, wie wichtig die richtige Grundierung bei der Ölmalerei ist.
In folgendem Detail sieht man den verfallenen Zustand des Bildes - und gleichzeitig die großartige Modellierung der Physiognomien, die das Werk weltberühmt machten.
Ölmalerei wird vorherrschende Maltechnik
Im Laufe der Renaissance setzte sich die Ölmalerei zunehmend durch. Die Farben wurden haltbarer und konnten gelagert werden. Ihre Wirkung mit den glänzenden Oberflächen "veredelten" die Gemälde. Die Künstler perfektionierten die Maltechnik und experimentierten mit neuartigen Formen des Farbauftrags.
Tizian
Die Künstler, die man hier vorstellen könnte, gehen in die hunderte. Exemplarisch seien nur einige erwähnt. Der venezianische Maler Tizian (um 1490 - 1576) gilt als einer der Hauptvertreter der Spätrenaissance.
Vor allem in seinem Spätwerk nutzt er die Ölmalerei für sphärische Bilder, deren malerische Strukturen sehr modern wirken. Es ist eine Einleitung des Barock, dessen verzückte Verspieltheit sich mit malerischen Mitteln besonders gut ausdrücken ließ. Das folgende Bild zeigt ein Detail aus dem sehr großformatigen Gemälde "Pièta", das er nur wenige Monate vor seinem Tod gemalt hat:
Jan Vermeer
Nördlich der Alpen bringt es Jan Vermeer (1632 - 1675) zu einer unerreichten Meisterschaft hinsichtlich der Lichtwirkung. Seine mit Ölfarbe gemalten Bilder lassen im Detail den malerischen Farbauftrag erscheinen, der sich aus der Ferne zu lichtdurchflutenden Szenen zusammenfügt.
Zitat von Vincent van Gogh: "[...] Das Zitronengelb, das blasse Blau und Hellgrau zu vereinen ist bei ihm so kennzeichnend, wie bei Velázquez die Harmonisierung von Schwarz, Weiß, Grau und Rosa." Das folgende Detail zeigt einen Ausschnitt aus dem Gemälde "Dienstmagd mit Milchkrug":
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Diese Geschichte ließe sich unendlich fortsetzen. Künstler wie El Greco, Velazques, Rembrandt, Rubens, und viele mehr haben die Ölfarben und die damit verbundenen maltechnischen Möglichkeiten genutzt. Allerdings blieb eines allen gemeinsam: sie haben große Werkstätten / Ateliers betrieben, in denen die Farbe, also Bindemittel und Farbpigmente, erstellt wurden. Der nächste folgenreiche Schritt in der Geschichte der Ölmalerei folgte erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts.
Die Erfindung der Ölfarben-Tube
Der amerikanische Maler John G. Rand (1801 - 1873) ist nicht wegen seiner Gemälde in die Kunstgeschichte eingegangen, sondern wegen einer bahnbrechenden Erfindung: die Tube für Ölfarben. Er wollte mit diesen Tuben aus Blei seine Farben vor dem Austrocknen schützen. Am 11. September 1841 meldete er das Patent für seine Erfindung. Darin beschreibt er "ein Behältnis, das Farben und andere Flüssigkeiten konservieren soll, indem man sie in ein metallenes Gefäß füllt, das man zusammendrücken und nach Gebrauch wieder luftdicht verließen kann." Damit revolutionierte er die Kunst.
Der weltberühmte Impressionist Auguste Renoir (1841 - 1919) sagte einmal: "Ohne die Farbtube hätte es weder einen Cezanne noch einen Manet, vielleicht überhaupt keinen Impressionismus gegeben."
Das Londoner Unternehmen Winsor & Newton griff das Patent noch im gleichen Jahr 1841 auf, entwickelte einen entsprechenden Drehkopf-Verschluss und nahm es ins Sortiment. Mit einschlagendem Erfolg: viele Künstler waren begeistert von der neu gewonnen Freiheit, Farben problemlos lagern und mitnehmen zu können. Der Plain-Air-Malerei wurde die Tür geöffnet. Der französische Maler Eduard Manet nutze die neuen Möglichkeiten und wurde so zum Wegbereiter der Impressionisten.
Claude Monet
Ein Bild des französischen Malers Claude Monet (1840 - 1921) wurde durch eine (abfällig gemeinte) Bemerkung eines Kritikers zum Namensgeber einer weltberühmten Malrichtig: dem Impressionismus.
Die Ölfarbe wurde dabei vor Ort, also am Hafen, gemischt und direkt, schnell und pastos, auf die Leinwand aufgetragen. Keine aufwendige Untermalung mehr, keine mehrschichtigen Ebenen, einfach direkt auf die Leinwand. Der Umgang mit der Farbe als Material wurde immer einfacher, so dass sich die Maler neuen Konzepten zuwenden konnten.
Paul Cezanne
Auch den französische Maler Paul Cezanne (1839 - 1906) zog es immer wieder hinaus ins Freie. Sein Umgang mit den Ölfarben war durch eher kurze, mit breitem Pinsel gesetzen Striche gekennzeichnet, wodurch imposante, fast schon abstrakte Farbteppiche entstanden.
Vincent van Gogh
Der Maler Vincent van Gogh (1853 - 1890) kennt heute jedes Kind - nicht nur wegen seiner Bilder, sondern vor allem aufgrund seiner dramatischen und bedauernswerten Biografie. Zu Lebzeiten verschmäht und verachtet, gehört er heute - auch aufgrund des Kunstmarktes, der seine Bilder zu schwindelerregenden Summen handelt - zu den bekanntesten Künstler überhaupt. Die wilde, leidenschaftliche Malerei eines van Gogh wäre ohne Ölfarben aus der Tube kaum denkbar. Van Gogh leutet mit seinen Bilder die Moderne in der Kunst ein.
Moderne Ölmalerei - noch lange nicht zu Ende ...
... Viele viele weitere Maler haben die Geschichte der Ölmalerei geprägt, zum Beispiel Pablo Picasso, Henri Matisse, die Maler des Expressionismus wie Franz Marc oder August Macke, dann die Abstrakten wie Wassily Kandinsky oder Kasimir Melewitsch bis zu den heutigen Malern wie Georg Baselitz oder Gerhard Richter.
Sie alle sind Protagonisten in der Geschichte der Malerei.
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Einführung in die Malerei: Gattungen, Techniken, Geschichtevon Frank Büttner und Andrea Gottdang
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Malerei verstehenvon Norbert Wolf
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Geschichte der Landschaftsmalerei.: Vom Spätmittelalter bis zur Romantikvon Norbert Schneider
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